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Mighty’s letzter Kampf

Der verzweifelte Kampf des großen Mightyman für die arme Comtess Gesine Constanze

Ich möchte Euch heute ein Märchen erzählen. Märchen sind, wie Ihr wißt, nicht wahr. Sie sind aber auch nicht völlig unwahr. Und so werdet Ihr also in meiner Geschichte, wenn Ihr genau hinschaut, ab und zu ein kleines Zipfelchen Wahrheit durchschimmern sehen.

Ich möchte Euch heute ein Märchen erzählen…

Meine Geschichte spielt zu einer Zeit, als unsere Wälder noch voller Riesen und Räuber, die Lüfte voller Drachen und Dämonen, die Welt noch voller Bosheit und Ungerechtigkeit war, vor langer, langer Zeit also.

Damals lebte im Süden Deutschlands an einem großen See ein Graf mit seiner kleinen Tochter, die auf den schönen Namen Gesine Konstanze getauft war.

Die Comtesse Gesine Konstanze, so lautet ihr vollständiger Name, war ein zartes, ungewöhnliches Kind, das leider allzu früh durch tragische Umstände seine Mutter verloren hatte. Seine Stiefmutter hatte nie so rechtes Interesse an dem schwierigen Kind, gab ihm jedoch ausreichend zu essen und ließ es nicht verkommen.
Weil das Kind sonst keine Zerstreuung hatte, interessierte es sich sehr früh für das Lesen von Zahlen und Buchstaben und brachte es darin zu einer solchen Fertigkeit, daß es bald über die Grenzen des kleinen Landes hinaus bekannt und berühmt wurde.

Gesine beschäftigte sich frühzeitig mit dem Lesen von Zeichen ..

Zum Ruhm kam der Reichtum. Das Erbe ihrer verstorbenen Mutter, lange Zeit für wertlos gehalten, entpuppte sich als Kleinod, so daß die Comtesse allgemein als gute Partie galt.

Die Kunde von Gesine Konstanzes Ruhm und Reichtum drang auch an das Ohr von Pidgeonman, einem Korsaren, der sich durch Wagemut und Draufgängertum einen gewissen Ruf erworben hatte.

Pidgeonman, in Frauendingen nicht unerfahren, eroberte Gesine Konstanze im Sturm und auch sie fand Gefallen an ihrem neuen Herrn und Gebieter.

Pidgeonman kam beileibe nicht mit leeren Händen an Gesine Konstanzes Hof. Eine Fee unbekannter Herkunft hatte ihm einst ein unvergleichliches Geschenk gemacht, dieses brachte er als Morgengabe mit. Es handelte sich dabei um einen Würfel, der - wie Pidgeonman versicherte -, überaus wunderbare Eigenschaften besaß: Jeder, der ihn zu Gesicht bekam, wurde sofort von dem unbezähmbaren Verlangen erfaßt, ihn besitzen zu wollen.

Und noch eine weitere erstaunliche Eigenschaft besaß dieser Würfel: Er vermehrte sich gewissermaßen von selber. Pidgeonman ging daher mit Recht davon aus, daß dieser Würfel eine stetige Quelle des Reichtums sei und nannte ihn daher The Magic Cube.

Gesine Konstanze klatschte in die Hände vor Freude und auch Ihr Pate Ötziman, der ihr die Wirtschaft führte, fand Gefallen an dem Wunderding und ließ unverzüglich Scheunen und Lagerhäuser bauen, um all die vielen Würfel unterzubringen, die es demnächst geben würde. Mit Pidgeonmans Ankunft kam Leben in den früher etwas schläfrigen Grafenhof.

Nun begann ein geschäftiges Leben am Grafenhof

Pidgeonman und Ötziman scharten eine Menge Freunde um sich und begannen, die Armut in der Welt zu bekämpfen.

So gab es beispielsweise einen Freundeskreis für Sizilianische Lebensart, der sich hauptsächlich um hilfebedürftige italienische Unternehmer kümmerte.

Äußerst segensreich wirkte auch der Förderkreis "Notleidende Länder Ost", der die verarmten Ostländer unterstützte. Hier setzte Ötziman die Akzente und half nach Kräften.

Besonders hervorheben muß man jedoch die fast übermenschlichen Anstrengungen der Maghreb-Hilfe. Pidgeonman selbst war es, der hier die Fäden in der Hand hatte. Ihm war keine Arbeit zu viel, kein Weg zu weit, keine Wüste zu heiß, wenn es um das große Ziel ging.

Manchem Scheich werden noch heute die Augen feucht, wenn er von der uneigennützigen Tätigkeit der Freunde Maghrebs erzählt.

Namen wie Contelli, Crivelli, Mitschellari oder der unvergessene Eigendlischman mit dem bemerkenswerten Vornamen Esel (Betonung auf der zweiten Silbe, also Esell) werden noch heute in den Kaffeehäusern der Levante gerühmt und in den Zelten der Sahara besungen

Die selbstlose Wohltätigkeit hatte ihren Preis. Das ehedem ansehnliche Vermögen der Comtesse schmolz dahin und auch der Magische Würfel, The Magic Cube, erwies sich als nicht so attraktiv, wie ursprünglich angenommen. Zwar vermehrte er sich, wie vorhergesagt, stetig, nur fand sich leider niemand, der ihn besitzen wollte. Pidgeonman bemerkte zwar insgeheim auch, daß irgend etwas mit seinem Wunderwürfel nicht stimmte, ließ sich jedoch nichts anmerken und tadelte jeden, der Zweifel äußerte.

Bald mußte die Stiefmutter immer öfter in die Tasche greifen um Gesine  aus den größten Verlegenheiten zu helfen.

Dabei wurde Gesine Konstanze immer blasser und schwächer, und damit niemand auf falsche Gedanken kommen sollte, pflegte man sie bei öffentlichen Auftritten sorgfältig zu schminken, immer öfter wurden ihr kräftige Aufputschmittel verabreicht, damit sie nur ja keinen kränklichen Eindruck hinterlassen möge.

Die Stiefmutter, die den wohltätigen Bemühungen Pidgeonmans und seiner Leute lange Zeit mißbilligend aber tatenlos zugeschaut hatte, verlor eines Tages endlich die Geduld:

Sie ließ den unerschrockenen Mightyman zu sich kommen und sprach zu ihm:

"Mighty, mein Lieber, Du hast mir in Deinem langen Leben schon manchen Dienst erwiesen. Einen letzten fordere ich noch von Dir.

Go West

Sattele Dein großes Pferd und reite gen Westen". "Go West" würde man heute sagen. "Dort findest Du Gesine Konstanze, meine arme Stieftochter. Sie ist in großer Not und braucht dringend Deine Hilfe. Aber sei auf der Hut! Pidgeonman, besonders aber sein Freund Ötziman sind zum Äußersten entschlossen. Sie werden sich nicht kampflos vertreiben lassen."

Mightyman schob seine Unterlippe ungefähr 5cm nach vorne, , was er immer tat, wenn er seine Entschlossenheit nach außen zeigen wollte, lächelte in Gedanken an seine Gegner verächtlich und bestieg sein Pferd.

Wie nicht anders zu erwarten, kam es bald nach seiner Ankunft an Gesine Konstanzes Hof zum erbitterten Kampf mit Ötziman.

Gleich nach Ankunft am Grafenhof kam es zum erbitterten Kampf

Der hatte natürlich der geballten Kraft von Mightyman wenig entgegenzusetzen, schlug ihm jedoch mit einer heimtückischen Finte noch das halbe Ohr ab, bevor er sich zur Flucht wandte. Dabei war er kaltblütig genug, auch noch tief in die Schatulle der Comtesse zu greifen und verließ als geschlagener, aber wohlhabender Mann den Kampfplatz. Fortan konnte er sich in Muße seinem Doppelleben widmen.

Nachdem der Kampf gewonnen, betrachtete Mightyman etwas ratlos den völlig verwahrlosten Hof der Comtesse, und zum ersten Mal wurde ihm die Größe der Aufgabe bewußt, auf die er sich eingelassen hatte. Er rief die Knechte zusammen, musterte sie mit seinem berühmten tiefgründigen Blick, der jedem, den er ansah, bis auf den Grund seiner Seele zu dringen schien, und wählte mit großer Sicherheit die wenigen brauchbaren unter den Knechten zu seinen Gehilfen.

Wen also wählte er?

Mighty mit Sigiman, Sandyman, Müllman und Johannes aus Zus

Da war zunächst der finster blickende Sigiman, Nachfahre eines versprengten Sarazenenstamms, der sich in einem entlegenen Winkel der schwäbischen Alb, - etwa in der Gegend des heutigen Heidenheim - Aussehen und Eigenschaften seiner kämpferischen Vorfahren erhalten hatte.

Sigiman hatte sich in seinen jungen Jahren erfolglos als Revolutionär versucht, mit zunehmendem Alter und zunehmender Weisheit jedoch erkannt, daß die Revolution eine brotlose Kunst sei, und war nun wild entschlossen, sein weiteres Leben mit nützlicher Arbeit zuzubringen.

Er trat vor und beugte das Knie.

Dann traf der Strahl von Mightymans Augen den braven Sandyman.
"Komm und folge mir nach!" Und er folgte.

Müllman war der nächste, auf den der Blick Mightymans fiel. "Willst auch Du mit mir gehen?" fragte er schlicht.

Müllman, für seine Entscheidungsfreude berühmt, antwortete spontan: "Ja, ich will - nicht lange um den heißen Brei herumreden." Und er legte in einer bemerkenswerten, dreistündigen Rede seinen Standpunkt dar. Danach hätte Mightyman genau wissen können, woran er war, aber er war in der entscheidenden Phase der Rede unaufmerksam gewesen. "Was ist die message?" pflegte er bei solchen Gelegenheiten zu fragen. Diesmal verkniff er sich diese Frage jedoch. Beim ersten Kontakt legte er stets großen Wert auf einen harmonischen Verlauf der Begegnung.

Stattdessen wandte er sich wieder an die schweigend verharrende Schar der übrigen Knechte. Hatte er die Spreu vom Weizen getrennt?

Nein, ein versonnen blickender Mann mit einer Kristallkugel in der Hand, der die anderen um Haupteslänge überragte und der ihm deshalb bisher noch nicht aufgefallen war, hob verschämt die Hand und sagte: "Hier, ich."

"Woher kommst Du?" fragte Mightyman. "Aus Zus", sagte der Lange.

Zus, ein kleiner Ort am Rande der bekannten Welt unmittelbar neben Utopia gelegen, hatte noch nie einen bedeutenden Menschen hervorgebracht. "Was kann aus Zus Gutes kommen?" knurrte der Alte.

"Ich bin Seher", sagte der Mann bescheiden. "Ich habe die einmalige Gabe, in die Zukunft zu blicken".

"So bleib", befahl Mightyman, "sei mein Prophet! Wir wollen Dich Johannes nennen, Johannes aus Zus".

Das war nun bei Gott eine starke Truppe, die Mightyman um sich geschart hatte und die sich nun auch unverzüglich an die Arbeit machte, den Augias-Stall der Gesine Konstanze auszumisten.

Alles was morsch und faul war, wurde ausgemerzt. Zwar meinten einige, daß der eine oder andere Balken, der da achtlos auf den Müllhaufen geworfen wurde, durchaus noch tragfähig gewesen wäre, aber Mightyman duldete keine falsche Rücksicht. Unermüdlich trieb er die Leute bei ihrer Aufräumarbeit an. In die geheimsten Ecken des Hofes drang er vor, ließ Hecken und Laubengänge schleifen und das ganze Gelände mit großen Lampen taghell ausleuchten.

Als Riesenproblem erwiesen sich die vielen Magischen Würfel, die niemand wollte. Soviel Mightyman davon auch vernichten ließ, stets tauchten neue auf.

"Ich krieg die Krätze", pflegte er zu sagen, wenn Müllman wieder einmal eine neue Ladung der klobigen Dinger auf den Hof karrte.

Es bedurfte der ungeheuren Energie und Durchschlagskraft eines gewissen Oakman, daß endlich alle Lagerhäuser und Scheunen entdeckt und von Würfeln gesäubert werden konnten.

Ich will Euch nicht verschweigen, daß Mightyman bei seinem letzten Kampf nicht nur strahlende Siege errungen hat. Es ist meine traurige Pflicht, hier auch von einer bitteren Niederlage zu berichten.

Wie konnte es dazu kommen?

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Zu den Zeiten, als der bereits erwähnte Freundeskreis "Notleidende Länder Ost" sich redlich bemühte, milde Gaben gerecht zu verteilen, wurde er schändlich hintergangen und um eine gesamte Wagenladung Gold betrogen. Mightymans Kundschafter hatten nun herausgefunden, daß dieser Schatz von einer mächtigen Hexe bewacht wurde. Diese Hexe war von ungeheuer kräftigem Wuchs und so erschrecklich anzusehen, daß normale Männer vor Angst schlotterten, wenn sie sie nur von weitem zu Gesicht bekamen.

Nicht so Mightyman.

Er erkannte zwar bald, daß körperliche Gewalt gegen diese vierschrötige Person völlig chancenlos wäre und griff daher, wie ehemals der große Odysseus, nach einer List. Er beschloß, die Sache nach der Methode "Wendelgard" anzugehen.

Ihr seid sicher vertraut mit der Geschichte, wie einst der Konstanzer Magistrat zu seinen überseeischen Besitztümern im Meersburger Gewann gelangte.

Ähnlich nun gedachte Mightyman vorzugehen. Er würde  die Hexe, die sicher Ähnliches in ihrem Leben  noch nie erlebt  hatte, in einen Liebesrausch versetzen, und die so Betörte würde sicher nicht zögern, den unrechtmäßig erworbenen Schatz herauszurücken.

Glaubt mir, als der große Augenblick nahte, wurden selbst einem Mightyman die Knie weich, und nur der Gedanke daran, wie sich Gesine Konstanze freuen würde, wenn er mit dem verloren geglaubten Schatz zurückkehrte, verhinderte seinen Rückzug in letzter Sekunde.

Rabatzka, sei mir gnädig!

"Rabatzka, sei mir gnädig", konnte er noch murmeln, als sie ihn zur Brust nahm.

Daß die heroische Tat letztlich vergeblich war, habe ich bereits berichtet. Das abgebrühte Weib dachte nicht im Traum daran, vergangenes Unrecht wiedergutzumachen und Mightyman den Schatz zurückzugeben. Der war danach um eine Erfahrung reicher und um eine Illusion ärmer.

Aber kehren wir zurück zum Hof der Gesine Konstanze.
Inzwischen hatte nämlich die Stiefmutter einen weiteren Helfer zu Mightymans Unterstützung geschickt:

Stoneman, von dem berichtet wurde, er habe einige Jahre an einer Schottischen Universität das Fach "Sparsamkeit" unterrichtet, sei aber dann wegen allzu großem Geiz des Landes verwiesen worden.

Fürchterlich, wie Stoneman mit den wohltätigen Einrichtungen seiner Vorgänger verfuhr. Er zerschlug die diversen Arbeits-, Freundes- und Förderkreise, die sich bisher so uneigennützig weltweit um die Bekämpfung der Armut verdient gemacht hatten.

Die kleinen und größeren Würdenträger des Hofes, die in den guten alten Zeiten von Pidgeonman und Ötziman jederzeit Zugriff auf die Schatztruhe der Comtesse genossen hatten, rieben sich entsetzt die Augen. Stoneman verbot jedem, sich der Truhe auch nur zu nähern; nachts pflegte er auf der Truhe zu schlafen.

Stoneman bewacht Gesines Schatz

Gesine Konstanze durchlebte derweil eine schlimme Zeit. Sie lag sterbenskrank darnieder, und die Ärzte wußten nicht, ob sie sie durchbringen würden. Sie hatte etwa die Hälfte ihrer Freunde von einst und - schlimmer noch – all ihren Lebensmut verloren, sie war gänzlich verarmt und lebte fast ausschließlich von den gelegentlichen Almosen, die ihre Stiefmutter schickte.

In dieser schweren Zeit war es vor allem Sandyman, der ihr beistand. Nächtelang saß er an ihrem Bett, fühlte ihren Puls, maß das Fieber und trug alles in lange Listen und Tabellen ein. Doch soviel er auch grübelte und rechnete, die Werte wollten und wollten nicht besser werden. Als er nicht mehr aus noch ein wußte, ließ er für teures Geld den großen Medicus und noch größeren Rechenkünstler Abakus kommen.

Gesine Constanze lag sterbenskrank darnieder

Abakus erkannte mit einem einzigen Blick, was zu tun war. Zunächst ließ er die sterbensschwache Comtesse mehrmals kräftig zur Ader und verpaßte ihr ein riesiges Klistier, sodann rechnete er dem verblüfften Sandyman vor, daß diese Behandlung in weniger als zwei Jahren

- den Puls stabilisieren und

- das Fieber vollständig zum Verschwinden bringen werde.

"Wie fühlst Du Dich jetzt", fragte er Gesine Konstanze. Die versuchte ein Lächeln, war aber zu schwach dazu.

"Sie fühlt sich schon viel besser", erklärte Abakus, kassierte sein stattliches Honorar und ritt davon.

Mightyman war außer sich vor Freude. "Sie ist über den Berg, sie ist über den Berg", rief er ein um's andere mal.

Und wirklich, ganz gleich ob es nun das Wirken des großen Meisters oder Gesine Konstanzes Jugend war, die letztlich den Ausschlag gegeben hatte: die Kraft der Krankheit war gebrochen. Gesine Konstanze konnte immer öfter ihr Krankenlager verlassen und bereits kurze Spaziergänge in den Garten machen.

Immer öfter sah man jetzt auch Mightyman, der früher unaufhörlich die Knechte angetrieben hatte, mit ihr zusammen. Es war ihm zur lieben Gewohnheit geworden, mit ihr zu plaudern und in der Sonne zu sitzen.

Mighty liebte es, mit ihr in der Sonne zu sitzen

Derweil hatte Stoneman begonnen, sich neben der Bewachung von Gesines Truhe verstärkt um die Knechte zu kümmern.

In diesen hoffnungsvollen Tagen wurde eine weitere interessante Neuigkeit berichtet:

Verschiedene Leute hatten beobachtet, daß Sigiman neuerdings ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legte.

Mißtrauisch beobachtet Stoneman das seltsame Gebaren von Sigiman

Immer, wenn er sich unbeobachtet fühlte, schlich er sich hinter den Reitstall, und hantierte dort mit Mightymans großen Reitstiefeln, die jetzt meist unbenutzt in der Ecke standen. Er stieg hinein und versuchte ein paar Schritte darin zu gehen. Weil er aber damit nicht zurecht kam, glaubte er zunächst, daß es an den riesigen Sporen liegen könnte. Deswegen hatte er versuchsweise seine eigenen kleinen Sporen montiert. Der Anblick erschien ihm dann aber doch so unpassend, daß er sein Vorhaben enttäuscht aufgab und es dann wochenlang vermied, auch nur in die Nähe der Stiefel zu kommen.

Als Stoneman von Sigimans Treiben erfuhr, nahm er ihm kurzerhand die Stiefel weg und schloß sie in seinem Zimmer ein.

Sigiman lief noch einige Tage ziellos in der Gegend umher und beschloß dann, Gesine Konstanze zu verlassen und sich in der Fremde zunächst größere Sporen zu besorgen.

Auch Mightyman befand, daß seine Aufgabe erfüllt sei. Er sehnte sich nach Ruhe und nach seinem Landgut in Barolien, wo Elke Maria, Freifrau zu Rheinburg, hoffentlich alles zu seiner Zufriedenheit gerichtet hatte. Der Tag der Abreise kam heran. Mighgtyman verabschiedete sich von Gesine Konstanze und den Knechten.

"Was wird denn nun aus mir?" fragte Gesine bang. Mightyman druckste herum, suchte nach den rechten Worten. "Ich werde einen Freier für Dich finden. Einen reichen und mächtigen Mann, der sich in der Welt auskennt und der Dich beschützen und in Ehren halten wird."

Die Nachricht traf die junge Frau völlig unvorbereitet. Sie wurde über und über rot. "Wann wird das sein, Onkel Mighty?" "Bald, sehr bald", sagte er ausweichend.

"Aber was ist, wenn Du keinen reichen und mächtigen Mann findest, der sich in der Welt auskennt und der mich beschützen und in Ehren halten wird? Was ist dann, Onkel Mighty?" fragte Gesine. "Aber Kind, Du kannst dumme Fragen stellen! Dann heiratest Du ganz einfach nicht." "Ja, dann heiratest Du ganz einfach nicht," bekräftigte auch Stoneman in munterem Ton.

Nachdem nun diese Angelegenheit zur großen Zufriedenheit aller geklärt war, hatte Mightyman eigentlich keinen Grund mehr, seine Abreise noch länger hinauszuzögern. Was  blieb noch zu tun?

Einer plötzlichen Laune gehorchend,  löste er seinen Schwertgurt und stieß sein Schwert in den Boden. "Das brauche ich nun nicht mehr", sagte er und wirkte plötzlich unendlich müde.

Manche der Umstehenden meinten, ein leises Zittern in seiner Stimme bemerkt zu haben. Er fuhr sich mehrmals über die Augen, wahrscheinlich blendete ihn die tiefstehende Sonne.
Etwas zu heftig gab er dann dem Pferd die Sporen.

Lang fielen die Schatten, als Mightyman vom Hof ritt

Lang fielen die Schatten, als Mightyman vom Hof ritt. Gesine Konstanze sah ihm nach, bis er hinter dem Hügel verschwand.
Sie fröstelte und zog ihren Schal enger um ihre Schultern, als sie ins Haus ging.