Sie
spüren nichts von kaiserlichem Blut in Ihren Adern, Sie meinen, Karl der Große
(742 – 814) sei gar nicht Ihr Urahn? Na, wenn Sie sich da mal nicht täuschen.
Wie wär’s, hätten Sie Lust auf eine Argumentationskette mit lauter in sich
schlüssigen Annahmen, an deren Ende auch für Sie die Gewissheit steht, dass Sie
ein unmittelbarer Abkömmling von Karl dem Großen sind?
Los geht’s!
Sie
haben, wie jeder Mensch, einen biologischen Vater, zwei Großväter, vier
Urgroßväter usw. Mit jeder weiteren betrachteten Generation verdoppelt sich die
Anzahl der Ur…urgroßväter.
Im Folgenden soll zur Vereinfachung folgende
Terminologie gelten:
Der Vater wird als Vater1, die Großväter als Vater2, die Urgroßväter als Vater3 usw. bezeichnet, der jeweilige Zeitabschnitt in
dem die Vatern-Generation gelebt hat, wird als Vatern-Lebenszeit bezeichnet.
Wie leicht einzusehen ist, lässt sich die Anzahl der Vätern nach folgender Formel berechnen:
AnzVatern = 2n-1
Setzt man probehalber n
= 3, so erhält man mit 23-1 = 4 die korrekte Anzahl der
Urgroßväter.
Zu welcher Urgroßvatergeneration wird nun wohl Karl der Große gehören? Zur Abschätzung lassen Sie uns mal von einer Generationenfolge von zwanzig Jahren ausgehen. (Das dürfte in den vergangenen Jahrhunderten der Wahrheit näher kommen, als die für die heutige Zeit eher zutreffende Zahl von 25 Jahren).
Karl der Große wurde im Jahr 742 geboren, seit dieser Zeit bis zum Jahr 2003 sind 1261 Jahre vergangen, also grob gerechnet 63 Generationen.
AnzGenerationen 1261/20 63.
Karl der Große gehörte also einer Generation an, in
der unsere Väter63 lebten.
Wie viele Väter63 hat denn jeder von uns?
AnzVater63 = 263-1 = 9.223.372.036.854.780.000
In der wissenschaftlichen Schreibweise wird dieses Zahlenungetüm etwas übersichtlicher: 9,22E+18;
also 9,22 mal einer 1 mit 18 Nullen, das sind 9,22 MilliardenMilliarden!
Dieses Ergebnis ist nun in der Tat etwas merkwürdig,
in Mitteleuropa dürfte es um das Jahr 800 herum nur bestenfalls 100 Millionen
Einwohner gegeben haben, wahrscheinlich aber eher 10 – 50 Millionen.
Wie ist
dieser offenkundige Widerspruch zu verstehen? Wo steckt der Fehler?
Nun, der
kann nur daher rühren, dass ein und die gleiche Person mehrfacher, nein, ich
muss besser sagen: vielfacher Vatern ist.
Folgendes kleine Beispiel erläutert das
Prinzip:
Wenn Vetter und Cousine ein gemeinsames Kind bekommen,
so hat dieses Kind nicht 4 Urgroßväter, sondern nur drei; mit einem von den
dreien ist es doppelt verwandt; er ist der Großvater von beiden Elternteilen.
Und diese mehrfache Verwandtschaft der heutigen Bevölkerung mit der
Vater63-Generation ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Mit jedem der
Väter63-Generation, die damals in Mitteleuropa lebten, ist
also jeder von uns im Durchschnitt
4,61E+18 /1,00E+08 = 4,6E+08 mal,
also 460.000.000 mal verwandt.
Was aber heißt in diesem Fall
schon „Durchschnitt“? Aus vielerlei Gründen kann man hier nicht von
statistischer Gleichverteilung ausgehen.
Mit Sicherheit bin ich nicht
verwandt mit allen damals Lebenden, die kinderlos gestorben sind, ebenso nicht
mit denen, deren Linien in den folgenden Jahrhunderten komplett ausgestorben
sind.
Betrachten wir also mal die Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, auch nach 63 Generationen noch lebende Nachfahren zu haben.
Zahl der Kinder
Es
liegt auf der Hand, dass die Zahl der Kinder die Wahrscheinlichkeit erhöht,
nicht auszusterben.
Obwohl jedoch in den vergangenen Jahrhunderten die
durchschnittliche Geburtenrate deutlich höher als heute war, hat sich dennoch
die Bevölkerung über Jahrhunderte kaum vermehrt. Grund dafür ist die hohe
Kindersterblichkeit und die geringe Lebenserwartung der Bevölkerung.
Als
sicher kann jedoch gelten, dass der soziale Rang der Eltern einen entscheidenden
Einfluss darauf hatte, ob ein Kind das geschlechtsreife Alter überhaupt
erreichen konnte.
Soziale Stellung
Kinder von Eltern, die aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft in der Lage waren, ihre Kinder ausreichend zu ernähren, hatten natürlich deutlich bessere Chancen, selbst wieder Kinder zu bekommen, als Nachkommen von Leuten der unteren Gesellschaftsschichten, die sehr oft unter extremer Mangelernährung litten. Außerdem versprach ein hochrangiges Elternhaus auch deutlich besseren Schutz vor den vielfältigen Gefahren des Lebens; die Schwächsten der Gesellschaft litten am meisten unter den dauernden Kriegen und hatten seit je her die höchsten Opfer zu beklagen.
Von allen Lebenden der Väter63-Generation hatte niemand einen höheren sozialen Rang als der unumstrittene Herrscher seiner Zeit, Karl der Große. Wie aber stand es mit der Zahl seiner Kinder, was wissen wir über sein Verhältnis zu den Frauen?
Nun, Karl der Große war, soviel ist sicher, kein Frauenverächter. Neben seinen Ehefrauen (er soll viermal verheiratet gewesen sein) wird von zahlreichen Konkubinen berichtet. 18 Kinder von ihm sind namentlich bekannt. Allerdings dürfte es da eine erhebliche Dunkelziffer geben, Karl war nicht nur politisch groß, sondern auch körperlich nachgerade ein Hüne. Er war oft auf Reisen, führte viele Kriege; wie wird er wohl mit der Langeweile an langen Abenden, weit weg vom heimischen Herd, umgegangen sein?
Es ist müßig, zu spekulieren, wie hoch die Zahl seiner Kinder wohl wirklich war: Sicher ist, dass sie deutlich über dem statistischen Mittel seiner Zeit lag.
Man kann daher festhalten:
Aufgrund seiner sozialen
Stellung, der Anzahl seiner Kinder (und nicht zuletzt wohl auch wegen der
Beschaffenheit seiner Gene, die er vererbte), darf man davon ausgehen, dass
seine Nachkommen einen größeren Anteil an der Bevölkerung der nachfolgenden
Generationen einnehmen, als es für den Durchschnitt seiner Zeitgenossen aus der
Väter63-Generation
gilt.
Die errechnete Zahl von 480 Millionenfacher Verwandtschaft mit allen Mitgliedern der Väter63-Generation galt unter der Voraussetzung gleicher Chancen für alle. Da diese Voraussetzung aber, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, nicht gegeben sind, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Verwandtschaft mit Karl dem Großen noch deutlich höher.
Der zwingende Schluß:
Die allermeisten der in Mitteleuropa lebenden Menschen haben einen bedeutenden Mann in ihrem Stammbaum: Karl den Großen